"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Sonntag, 4. Dezember 2016

"Steve!" – "Susan!"

Dan O'Bannons The Resurrected (1991) war nicht der erste Versuch einer Adaption von Lovecrafts The Case of Charles Dexter Ward. Über zweieinhalb Jahrzehnte zuvor hatte sich schon einmal der unvergleichliche Roger Corman an einer solchen versucht. Geschehen war dies im Rahmen seines berühmten, für American International Pictures (AIP) produziertem Edgar Allan Poe - Zyklus, weshalb dem Flick mit The Haunted Palace (1963) der Titel eines Gedichts des großen Poeten und Schriftstellers verpasst worden war. Zum Inhalt des Streifens passte das zwar nicht wirklich, bildete aber den Präzedenzfall für spätere dreiste Eingemeindungen artfremden Materials in den Zyklus. Man denke etwa an Michael Reeves' Folk Horror - Klassiker Witchfinder General (1968; vgl. hier), den AIP zusammen mit der britischen B-Movie - Schmiede Tigon produzierte und in Amerika unter dem Poe-Titel The Conqueror Worm in die Kinos brachte.

Ich habe eine große sentimentale Schwäche für Cormans Streifen. Mit Lovecrafts Erzählung hat er zwar nur wenig zu tun, kann dafür jedoch mit dem unsterblichen Vincent Price und wunderbar atmosphärischen Sets glänzen. Auch hinterließ er auf mein kindliches Ich einen tiefen, gruselig-verstörenden Eindruck, der über Jahre hinweg sehr lebendig blieb.

Eine ausführliche Würdigung von The Haunted Palace muss jedoch leider auf einen anderen Tag verschoben werden, habe ich momentan doch keine Möglichkeit, mir den Film wieder einmal anzuschauen. Stattdessen wollen wir uns heute dem zweiten Abstecher, den AIP in cthulhuide Gefilde unternahm, widmen – dem weniger bekannten Streifen Die, Monster, Die! aus dem Jahre 1965, der sich anders als sein Vorgänger nicht als Teil des Poe - Zyklus auszugeben versuchte, sondern im Vorspann ganz offen erklärte, auf H.P. Lovecrafts The Colour Out Of Space zu basieren. Was im Grunde nicht viel weniger dreist war.



Seinen größten Beitrag zum phantastischen Film leistete Daniel Haller nicht als Regisseur, sondern als Art Director und Produktionsdesigner.
Was auch immer man sonst über den alten Schlockmeister denken mag, Roger Corman besaß ohne Zweifel schon immer ein sehr gutes Gespür für Talent und Potential. Als er Mitte der 50er Jahre dem jungen, am prestigeträchtigen Chouinard Art Institute ausgebildeten Haller begegnete, bemühte er sich sogleich, ihn als Mitarbeiter für seine Low Budget - Produktionen zu gewinnen. Zu ihren ersten gemeinsamen Arbeiten gehörten u.a. War of the Satellites (1958), Attack of the Giant Leeches (1959) und The Wasp Woman (1959). Aber sein künstlerisches Talent konnte Haller erst dann so richtig entfalten, als ihm die Aufgabe zuteil wurde, die wundervoll dekadenten Sets für Filme wie House of Usher (1960), The Pit and the Pendulum (1961), The Haunted Palace (1963) und The Masque of the Red Death (1964) zu entwerfen.
Mit Die, Monster, Die! (1965) erhielt Daniel Haller dann zum ersten Mal die Gelegenheit, sich auch als Regisseur zu versuchen. In den 70er und 80er Jahren würde er dies zu seinem Hauptberuf machen, wobei er beinah ausschließlich fürs Fernsehen (u.a. Kojak; Battlestar Galactica; The Fall Guy / Ein Colt für alle Fälle) arbeiten würde. Zuvor sollte er allerdings noch für AIPs dritten Lovecraft-Film verantwortlich zeichnen – die bizarr-psychedelische Counter Culture-Variante von The Dunwich Horror (1970).

Es verwundert nicht, dass das stärkste Element in Die, Monster, Die! die atmosphärischen Sets sind, auch wenn Haller natürlich mit Colin Southcott (Tomb of Ligeia [1964]; War Gods of the Deep [1965]) einen eigenen Art Director zur Seite gestellt bekam. Besonders beeindruckend ist das großartige Matte-Painting des Meteoritenkraters, umgeben von schwarzen, abgestorbenen Bäumen
Stilistisch bemüht sich der Film mit seinen satten Farben, nebligen Landschaften und "gotischen" Interieurs die äußere Erscheinung von Cormans Poe-Filmen nachzuahmen. Inhaltlich fehlt ihm jedoch völlig deren psychologische Tiefe, die durch eine wenig interessante Mischung aus Gothic Horror - und Mad Scientist - Klisches ersetzt wurde – angereichert mit einer irritierend starken Dosis von Damsel-in-Distress - Blödsinn.

Das Szenario des aus der "Zivilisation" stammenden Besuchers, der in ein hinterwäldlerisches Milieu kommt, dort einer abweisenden, mundfaulen Bevölkerung begegnet, die ein paar kryptische Halbwarnungen und ominöse Andeutungen von sich gibt, nur um dennoch zu seinem Zielort, einem offenbar übel beleumundeten Schloss oder Landhaus, weiterzureisen, wo er den Mächten des Bösen begegnen wird, gehört zu den altgedienten Konventionen des Horrorgenres. Ob es seinen Ursprung in Jonathan Harkers Reise nach Transylvanien am Anfang von Bram Stokers Dracula besitzt? Vermutlich nicht, auch wenn ich mir vorstellen könnte, dass es auf diesem Weg ins Mainstream-Bewusstsein und in Folge dessen in unzählige Horrorfilme gelangte.
Wie dem auch sei, in Die, Monster, Die! wird der Part des "fremden Besuchers" jedenfalls von dem amerikanischen "Wissenschaftsstudenten" Steve Reinhart übernommen, gespielt von Nick Adams, dessen Karriere sich nach dem Ende der äußerst erfolgreichen TV-Serie The Rebel (1959-61) zu diesem Zeitpunkt wohl eher auf dem absteigenden Ast befand {und der zur selben Zeit auch in einigen kaiju eiga von Toho mitwirkte}. Auf dem Weg zu seiner Verlobten in spe Susan Witley (Suzan Farmer), die er auf der Uni kennengelernt hat, trifft er in dem verschlafenen englischen (!) Dörfchen Arkham ein, dessen Bewohner jedoch nicht gewillt sind, ihm den Weg zum Witley-Anwesen zu zeigen. Als er dieses schließlich doch erreicht, entpuppt es sich als ein leicht heruntergekommenes, von dichten Nebeln umwalltes Herrenhaus, in dem ihn ein wenig herzliches Willkommen von Seiten des an den Rollstuhl gefesselten Vaters seiner Angebeteten, Nahum Witley (Boris Karloff) erwartet. Doch da die Einladung von dessen Gattin Letitia (Freda Jackson) stammte, willigt der Alte schließlich ein, Steve für ein paar Tage bleiben zu lassen. Sehr schnell stellt sich heraus, dass hier sehr viel größere Probleme auf unseren jungen Helden warten, als ein granteliger künftiger Schwiegervater. Die schwer kranke Letitia, die sich stets hinter den Vorhängen ihres Himmelbettes verborgen hält, drängt Steve, schnellstmöglich mit Susan abzureisen. Butler Merwyn (Terence de Marney) verstirbt unter grausigem Gekreische. Eine in schwarze Schleier gehüllte Gestalt durchstreift nächtens den nebelverhangenen Garten. Und was hat es mit dem Gewächshaus auf sich, das auf Nahums Anordnung niemand betreten darf? Sollte das Ganze etwas mit dem unseligen Schicksal von Susans im Wahnsinn verstorbenen Großvater zu tun haben, der als Hexenmeister verschrien war und einen Schmöker mit dem vielversprechenden Titel Cult of the Outer Ones verfasste?

Letzteres Detail scheint die Geschichte direkt mit Lovecrafts Cthulhu-Mythos zu verknüpfen, der in The Colour Out Of Space eigentlich keine Rolle gespielt hatte. Doch man lasse sich nicht in die Irre führen, trotz dieses neckischen Red Herrings hat Die, Monster, Die! weder in Ton noch Inhalt viel mit dem Werk des alten Gentleman zu tun. Ja, auch hier mutieren Pflanzen, Tiere und Menschen unter dem Einfluss eines geheimnisvollen Meteoriten, doch damit enden auch schon die Parallelen. Nicht nur banalisiert Steve die Ereignisse augenblicklich als Auswirkungen radioaktiver Strahlung, der alte Nahum entpuppt sich auch als "mad scientist" im Stile von Professor Deemer aus Jack Arnolds Tarantula (1955), der den Meteor zum Heranzüchten riesiger Pflanzen und Tiere zu verwenden versucht, um auf diese Weise seine unfruchtbare Heimat in einen Garten Eden zu verwandeln.
Dass diese eher dem SciFi-Horror der 50er Jahre ähnelnde Story in die neblige Szenerie des Gothic Horror der 60er Jahre gekleidet wurde, verleiht dem Streifen eine gewisse Exzentrizität, kann aber nicht über die lausige Qualität des Drehbuchs hinwegtäuschen. Ein Großteil des Films besteht darin, dass wir Steve und Susan mehr oder weniger ziellos durch das nächtliche Herrenhaus wandern sehen, während ab und an ein paar unmenschliche Schreie aus der Ferne oder ein kurzes Auftauchen der verschleierten Frauengestalt für etwas Spannung zu sorgen versuchen. Besonders grotesk wird es, wenn unser Held bei seinem Vorstoß in die Kellergewölbe auf ein in einem Schrank baumelndes Skelett stößt. An diesem Punkt erreicht der Film endgültig die Qualität einer billigen Geisterbahnfahrt auf dem örtlichen Jahrmarkt.
Nicht unerwähnt bleiben soll jedoch der eine recht effektvolle {und vielleicht sogar originelle} Trick, den der Streifen zu bieten hat. Während einer der gemeinsamen Herumschleich-Szenen hören wir das laute Ticken einer Standuhr im Hintergrund. Unmerklich beschleunigt sich dieses Ticken, was zumindest auf mich tatsächlich eine auf unterschwellige Weise beunruhigende Wirkung ausgeübt hat. Vielleicht spielte da aber auch meine alte Obsession mit der eigenen Herzfrequenz eine verstärkende Rolle Restbestand der regelmäßigen Panikattacken, mit denen ich mich jahrelang herumquälen musste. 

Was bleibt sonst noch zu sagen?

Zuerst einmal, dass es stets eine Freude ist, den großen Boris Karloff zu sehen. Doch leider kann auch er diesen Flick nicht über das Mittelmaß hinausheben. In The Lurker in the Lobby wird sein Auftritt wie folgt kommentiert: "[He] looks sadly ill just four years before his death", und da ist wirklich was dran. Er wirkt merkwürdig blass und kraftlos, vor allem, wenn man zum Vergleich an seine mächtige Präsenz in Mario Bavas zwei Jahre zuvor gedrehtem I tre volti della paura / Black Sabbath (vgl. hier) denkt. Allerdings würde er zwei Jahre später in Michael Reeves' The Sorcerers noch einmal eine äußerst respektable Leistung abliefern, weshalb ich eher dazu neige, das miese Drehbuch, und nicht altersbedingte Kränklichkeit, für Karloffs blasse Erscheinung in Die, Monster, Die! verantwortlich zu machen.

Und dann wäre da noch das "Damsel" - Dings, auf das ich schon angedeutet hatte.
Dass Frauen in vielen klassischen Horrorfilmen in die Opferrolle gedrängt wurden, ist denke ich kein Geheimnis. {Auch wenn das keineswegs für alle von ihnen gilt, und von verallgemeinernden Urteilen hier – ganz wie in vielen ähnlich gelagerten Fällen emphatisch abzuraten ist.} Doch bei Die, Monster, Die! ist mir das besonders übel aufgestoßen. Gut möglich, dass dafür meine momentane geistige Verfassung verantwortlich war. Objektiv betrachtet ist der Streifen in dieser Hinsicht vielleicht nicht wirklich extremer. Doch es hat mich auf jedenfall ziemlich irritiert.
Steve spielt im Grunde die Rolle des edlen Prinzen, der in das verfluchte Schloss vorstößt, um die von dämonischen Mächten bedrohte Prinzessin zu befreien. Und dass er zu dieser Queste von der bettlägerigen Königin animiert wurde, macht das Ganze im Grunde nur noch schlimmer. Wenn Letitia Steve zu sich bestellt, um ihm von den unheimlichen Ereignissen der jüngsten Vergangenheit zu erzählen und ihn dazu zu drängen, Susan von hier fortzubringen, besteht sie darauf, dass ihre Tochter bei der Unterhaltung nicht anwesend sein darf. Warum?!? Ich habe auch nach langem Nachgrübeln keinen vernünftigen Grund dafür finden können, außer dem, dass Susan in einem Zustand der Unwissenheit und Hilflosigkeit gehalten werden muss, damit sich Steve ein ums andere Mal als ihr Retter in Szene setzen kann. Und dieses Motiv zieht sich durch den gesamten Film. Immer wieder wird uns Susan als schwach, naiv und unvernünftig präsentiert, während wir Steves mitunter ziemlich arrogant und autoritär anmutendes Gehabe vermutlich als besonders "männlich" und "heldenhaft" interpretieren sollen.

Würde ich nach alldem dennoch bereit sein, eine Empfehlung für den Film auszusprechen? Jein. Unter AIPs drei Lovecraft-Adaptionen ist er sicher die schwächste, und wer die wundervolle Welt des amerikanischen Horrorkinos der 60er kennenlernen will, sollte lieber mit Roger Cormans Poe-Zyklus anfangen. Trotzdem findet sich in Die, Monster, Die! die eine oder andere interessante Szene, die einen Besuch lohnt.

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