"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Montag, 1. Dezember 2014

Expeditionen ins Reich der Eighties-Barbaren (I): "Sorceress"

Eigentlich hatte ich ja vor, mein kleines Adventsprogramm zu starten. Doch da ich mich momentan in alles andere als vorweihnachtlicher Stimmung befinde, entschied ich mich dazu, stattdessen erst einmal ein anderes Projekt in Angriff zu nehmen, das schon seit längerem auf seine Umsetzung wartet: Eine Expedition in die wüsten und wunderlichen Gefilde des Sword & Sorcery - Films der 80er Jahre.

Inzwischen bin ich mir allerdings nicht mehr so sicher, ob das eine so kluge Entscheidung gewesen ist ...
 
Der große Erfolg von John Milius' Conan the Barbarian (1982) zog, wie nicht anders zu erwarten, eine kleine Flut von El Cheapo - Knock-offs nach sich, sowohl in den USA als auch in Europa. Doch der erste Anlaufpunkt auf unserer epischen Queste ist interessanterweise ein Flick, der zwei Monate vor Conan in die amerikanischen Kinos gelangte. Die Rede ist von Jack Hills Sorceress, hierzulande als Mächte des Lichts bekannt und in Australien offenbar unter dem noch bizarreren Titel The Devil's Advocate vermarktet:

  

Wem bei diesem Trailer der Gedanke gekommen ist, "Hey, die Musik kenn' ich doch irgendwoher", und sich jetzt fragt, ob er den Flick wohl vor Zeiten schon einmal gesehen hat und sich bloß nicht mehr daran erinnern kann, den kann ich beruhigen. Es wäre zwar nur zu verständlich, wenn sein Gehirn sich bemühen würde, jede Spur eines solchen Erlebnisses aus dem Gedächtnis zu tilgen, doch sehr viel wahrscheinlicher dürfte es sein, dass er oder sie James Horners Komposition aus einem völlig anderen Kontext kennt. Vermutlich aus der prachtvollen Space Opera - The Magnificient Seven - Mixtur Battle Beyond The Stars von 1980. Und damit dürfte gleichfalls klar sein, wem wir letztenendes diesen überraschend frühen, aber nichtsdestoweniger unterirdisch miesen Eintrag in den Barbaren - Zyklus der 80er Jahre zu verdanken haben. Niemand anderem als dem großen Schlockmeister und König der Cash-ins Roger Corman.
Ich weiß nicht, ob Corman bei der Produktion dieses Flicks bereits das Kommen von Conan im Auge hatte. Als er seinen ehemaligen Protegé Jack Hill 1981 nach Mexiko schickte, um diese Monstrosität auf Celluloid zu bannen, war schon seit längerem bekannt, dass Dino und Raffaella De Laurentiis gemeinsam mit John Milius und Universal Pictures an einer filmischen Inkarnation von Robert E. Howards Barbaren arbeiteten. Auf jedenfall hatte Corman schon immer bewiesen, dass er ein feines Gespür für die aktuellen Modewellen im B-Movie-Bereich besaß. Und so belegt der Umstand, dass Sorceress gedreht wurde, zumindest eins: Der Trend ging in Richtung Fantasy. Ob das ausreicht, die Existenz dieses Streifens zu rechtfertigen, ist freilich eine andere Frage.

Um was es in dem Film geht? Schwer zu sagen, auf jedenfall nicht um eine Zauberin. Versuchen wir dennoch, eine knappe Zusammenfassung dessen zu liefern, was man mit sehr viel gutem Willen als den Plot dieses abstrusen Gebildes bezeichnen könnte. Eine leichte Aufgabe ist das allerdings nicht.

Also, da hätten wir zuerst einmal den bösen Zauberer Traigon (Roberto Ballesteros), der mit Hilfe der Gottheit Caligara ein neues Goldenes Zeitalter einleiten will. Behauptet er zumindest. Zum Erreichen dieses Ziels, muss er sein erstgeborenes Kind als Opfer darbringen. Was sich als gar nicht so einfach herausstellt, denn seine Geliebte hat Zwillinge zur Welt gebracht und ist außerdem gar nicht begeistert von der Idee, dass eine ihrer Töchter unter dem Ritualmesser enden soll. Wie Mütter halt so sind. Und als wäre das nicht bereits ärgerlich genug, mischt sich auch noch der Zauberer & Meisterkrieger Krona (Martin LaSalle) in die Angelegenheit ein. {Traigon könnte sein Schüler gewesen sein, jedenfalls gibt's da einen leichten Ben Kenobi - Darth Vader - Vibe}. Wie dem auch sei, jedenfalls wird der Schurke getötet, bevor er das Opferritual durchführen kann. Doch wie wir zugleich erfahren, besitzt er offenbar drei Leben {*nicht fragen*}, und wird in zwanzig Jahren zurückkehren, um sein teuflisches Werk zu vollenden.
Krona sorgt dafür, dass die Zwillingsschwestern in irgendeinem Bauerndorf großgezogen werden, wobei er ihrem Ziehvater einschärft, ihr Geschlecht geheimzuhalten. Außerdem überträgt er den beiden Mädchen, "who are one", auf magische Weise einen Teil seiner kämpferischen Fähigkeiten. {*nicht fragen*}
Dieser geniale Plan kann freilich nicht verhindern, dass Traigon direkt nach seiner Wiederauferstehung seinen Handlanger Khrakannon (Tony Stevens) losschickt, der offenbar keine Schwierigkeiten hat, das "Versteck" der Zwillinge aufzuspüren, und erst einmal sämtliche Dorfbewohner abmetzeln  lässt. Aber wenigstens haben Kronas exzentrische Instruktionen dazu geführt, dass die inzwischen erwachsenen Schwestern Mira (Leigh Harris) und Mara (Lynette Harris) keine Ahnung vom Unterschied zwischen Männern und Frauen haben, was in der Folge Anlass zu manch {*ähem*} "amüsanten" Verwicklungen geben wird.
Muss ich wirklich weitermachen? Na gut, machen wir's schnell und schmerzlos: Gemeinsam mit dem Wikinger Baldar (Bruno Rey), dem unablässig vor sich hin meckernden Satyr Pando (David Milbern) und dem barbarischen Glücksritter Erlick {*ja, der Typ heißt wirklich so!*} (Roberto Nelson) machen sich Mira und Mara auf, um Rache zu nehmen und die infernalischen Welteroberungspläne von Traigon und Prinzessin Delissia {*die Zauberin aus dem Titel?*} (Ana De Sade) zu durchkreuzen.

Zu behaupten, der Plot besäße mehr Löcher als ein Schweizer Käse, wäre eine maßlose Untertreibung. Wurde das Script von dem späteren Hack-Meister Jim Wynorski während einer durchzechten Nacht auf ein paar herumliegende Servietten gekritzelt? Das würde zumindest erklären, warum nichts, aber auch wirklich gar nichts, in dieser Story auch nur einen Hauch von Sinn macht. Natürlich hilft es auch nicht grade, dass Wynorskis unterirdische Dialoge Leuten in den Mund gelegt wurden, die man in ihrer überwältigenden Mehrheit nur mit schweren Vorbehalten als Schauspieler bezeichnen kann. Wikipedia zufolge hatten sich die beiden Hauptdarstellerinnen Leigh & Lynette Harris zuvor bereits einmal für den Playboy ablichten lassen. Was selbstverständlich keine Schande ist, aber doch darauf hindeutet, dass sie ihr Filmdebüt vermutlicher weniger ihrem darstellerischen Talent als anderen "Qualitäten" verdankten. Und der Rest der Truppe war wahrscheinlich ganz einfach billig zu haben. Es dürfte kein Zufall sein, dass die einzigen Darsteller mit Berufserfahrung die Mexikaner Rey, Ballesteros und LaSalle waren. Ebensowenig verwundert es, dass Tony Stevens und Roberto Nelson nie wieder in einem Film auftreten würden. Auch ist mir selten eine derart inkompetente Kampfchoreographie untergekommen wie hier.    
Aber hey, niemand erwartet von einem Flick wie Sorceress cineastische oder thespische Großleistungen. Jack Hills Streifen könnte dennoch äußerst unterhaltsamer Schlock sein. Und in der Tat sucht die Szene, in der unsere Helden von Delissias Affendienern mit Lachgasgranaten bombardiert werden {*nirgendwo anders als im "Forbidden Forest" natürlich*}, vermutlich ihresgleichen im Fantasyfilm. Doch diese drei erfreulich absurden Minuten können einen schwerlich für die restlichen achtzig entschädigen. {*Seine Kürze dürfte noch die positivste Eigenschaft dieses Filmes sein.*}
Was Sorceress zu einem wirklich qualvollen Erlebnis macht ist vor allem sein schmieriger "Humor". Ich meine, dass der erste Auftritt unserer "Heldinnen" die beiden beim Baden in einem Waldsee zeigt, ist noch simpler Exploitation-Standard. Aber muss dann wirklich Satyr Pando am Ufer auftauchen, woraufhin sich folgender feinsinniger Dialog zwischen den Schwestern entspannt: "What's that? Which he carries there. Hanging between his legs. Is it a horn?" "A weapon perhaps?" "But how would he use such a weapon?" Oder aber wir dürfen miterleben, wie Mira (oder Mara?) die Empfindungen ihrer Schwester Mara (oder Mira?) teilt, die einige Meilen entfernt gerade Sex mit Erlick hat, und dabei stöhnend ein paar eigene Orgasmen durchlebt. Oh Gott, warum hat noch niemand eine Droge erfunden, mit der man ganz gezielt bestimmte Erinnerungsengramme löschen kann?!? Nach dem großen Finale {*das zugegebenermaßen einige hübsch lachhafte Trickeffekte zu bieten hat*} entlässt uns Wynorski mit einem letzten Beweis seines unnachahmlichen Wortwitzes, wenn Erlick stupide grinsend aus dem verwüsteten Tempel tritt, die Arme um beide Schwestern gelegt und auf Baldars Frage "Both?" zur Antwort gibt: "Hey, these two ARE one." Meisterhaft, oder?

Der Umstand, dass dieser Flick $4 Millionen einspielte und damit ein ordentlicher kommerzieller Erfolg für Roger Cormans Produktionsfirma New World Pictures war, lässt einen wieder einmal an der Menschheit zweifeln. Wenigstens weiß ich nach Durchleiden dieses grauslichen Machwerks, das sich nur ungenügend als Film zu tarnen versteht, Don Coscarellis Beastmaster besser zu schätzen.

Nun denn, sammeln wir unsere Kräfte, schicken wir ein rasches Stoßgebet zu Crom und versuchen wir, schnellstmöglich die erste Etappe unserer heroischen Queste hinter uns zu lassen. Der nächste Anlaufpunkt ist Matt Cimbers Hundra von 1983. Mir schwant nichts wirklich gutes, aber so schlimm wie Sorceress kann's schon nicht werden. Oder ...?

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